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Geschichte Nr. 2

 

Zu Risiken und Nebenwirkungen

 

Heute morgen wurde im portugiesischen Fernsehen die folgende Nachricht eingeblendet: "Beschränkungen an den Stränden bleiben bis September in Kraft". So hatte es der Premier verkündet. Ich möchte anmerken, dass die Nutzung der Strände hier in Portugal seit nun ca. drei Wochen untersagt ist. Gerade eben auf dem Weg nach Hause sah ich, wie die GNR einen Schwimmer und einen beachwalker freundlich aber bestimmt bat, das Wasser bzw. den Strand zu verlassen.

 

Auch wenn die vorgenannten Restriktionen gelockert werden sollten, ist die heutige Ankündigung seitens des PM zum jetzigen Zeitpunkt eine Art Overkill für den hiesigen Tourismus. Man hat die Sommersaison 2020 bereits abgeschrieben, so ist mein Eindruck. Hotels machen aktuell Werbung mit einem 20%igen Buchungsrabatt für das gesamte Jahr 2021. Eine Entscheidung, die Bände spricht.

 

Die Krise wird einen dämpfenden Effekt auf den Immobilienmarkt ausüben, der in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebte. Mieten und Kaufpreise schossen in die Höhe. Eine Tatsache, die leider zulasten der einheimischen Bevölkerung geht, die die steigenden Mieten oft nicht mehr schultern kann.

 

Portugal und sein sonniger Süden werden überall gehypt und stark beworben. Auf Tourismusmessen erhält die Algarve regelmäßig Auszeichnungen für die beliebteste Ferienregion Europas. Und immer wieder las man in den Medien, dass die Algarve zu den sichersten Regionen der Welt gehört. Perfekt für Menschen im Ruhestand, die sich nach einem Platz in der Sonne sehnen.

 

Mich beschleicht angesichts dieses anhaltenden Hypes ein ungutes Gefühl. Und ich bin nicht die einzige. Fast jeder qm strandnahe Leerfläche wird zugebaut. Eigentümer, die sich über Jahre eines Meerblicks erfreuten, schauen nun auf Betonwände. Kein Ende schien in Sicht. Fast jeder will ein Stück vom Kuchen. Zahlreiche neue Golfplätze werden geplant, neue Luxusresorts wurden genehmigt. Eine Mehrheit folgt dem Ruf des Geldes. Das altbekannte Spiel.

 

Das rapide Wachstum ist dabei, auch den Charakter unseres kleinen Feriendorfes zu verändern. Nur im Winter, von ca. November bis April, gehört der Strand den Einheimischen und den Residenten. Tja, und selbst dieser Lichtblick hat jetzt ein Ende gefunden. Vorübergehend, wie wir alle hoffen.

 

Unser aller Alltagsleben spielte sich in einem klar definierten Bezugsrahmen ab. Wir gehen zur Arbeit, wir nutzen unsere Autos, buchen online unsere Flüge, genießen unsere Entscheidungs- und Bewegungsfreiheit. Und dann, quasi von heute auf morgen, ändert sich dieser vertraute Bezugsrahmen auf eine unglaubliche Weise.

 

Wir reiben uns die Augen. Eine Zeit wie gemacht zum Innehalten und Nachdenken. Wollen wir wirklich so weitermachen wie bisher? Wachstum ohne Grenzen. Immer größer, weiter, mehr? Für den kurzfristigen finanziellen Vorteil alles andere beiseite schieben? Ist das wirklich ein nachhaltiges Konzept?

 

Alles auf Anfang. Die Zeit ist reif für eine Neuorientierung!

 

© Solandra (21. April 2020)