DER ZOOM-FAKTOR ...

 

Der Begriff des „Zoom“ meint nicht die namensgleiche Plattform zur Abhaltung von Videokonferenzen, sondern bezieht sich auf die digitale Funktion zum Vergrößern oder Verkleinern eines Bildes oder eines Dokuments.

 

Wenn ich versehentlich meinen Kosmetikspiegel auf der falschen Seite (Mehrfachvergrößerung) benutze und mich meine Gesichtsfältchen und -falten überdimensional anschauen, denke ich unwillkürlich an die „Zoom“-Funktion meines Laptops. Und drehe den Spiegel ganz schnell wieder um, zurück auf die weitaus angenehmere 1:1 Perspektive. Für die Wahrnehmung bei normaler Sehstärke.

 

Oft denke ich zurück an die analogen Fotos im Familienalbum. Man befand, ob man gut oder eher weniger gut getroffen war und wählte seine Lieblingsfotos aus. Ich kann mich nicht erinnern, eine Lupe zur Hand genommen zu haben, um Details meines Lippenstifts oder meiner Augenfältchen zu überprüfen. Aber weil es heute die Zoom-Funktion gibt, können wir mitunter nicht widerstehen, die Vergrößerungstaste zu aktivieren. Oft auf die doppelte Größe. Warum eigentlich?

 

Ich vermute, Frauen tun dies öfter als Männer. Denn frau möchte sich vergewissern, dass sie auch bei näherem Hinschauen noch ansprechend aussieht So weit, so gut. Aber diese Zoom-In Funktion regelmäßig zu aktivieren, hat schon fast masochistische Züge. Wir schauen uns auf 200 % irgendwelche Details an, die in der Wirklichkeit überhaupt nicht existieren, weil sie normalerweise kein Mensch wahrnimmt. Good vibrations fühlen sich anders an. Außer die Neugierde packt uns, und wir recherchieren mit steigender Begeisterung und auf die gleiche Art und Weise die Fotos von Freunden, Bekannten oder gar die Bilder der Celebrities auf den Social Media. Aber seien wir mal ganz ehrlich: Haben wir wirklich nichts Besseres zu tun?

 

Interessanterweise vergessen wir die „Zoom“-Funktion völlig, wenn wir Neuigkeiten und Ereignisse auf politisch-gesellschaftlicher Ebene betrachten. Die es wert wären, eingehender und ein wenig kritischer unter die Lupe genommen zu werden. Weil sie uns kurz- oder langfristig persönlich betreffen könnten bzw. werden. Oft schauen wir nur kurz auf die fette Schlagzeile und übernehmen viel zu schnell eine Mehrheitsmeinung. Warum nicht mal alternativ ins Internet hineinzoomen, um weitergehende Informationen zu recherchieren und alternative Meinungen einzuholen? All das wäre nur einen Mausklick entfernt.

 

Das Gleiche gilt für die sog. Zoom Out Funktion, wie Google Maps sie benutzt. Und mit deren Hilfe wir das größere Bild erkennen können. Denn manchmal sehen wir den Wald vor lauter Bäumen nicht. Wenn wir beginnen, uns weg von den vielen kleinen Details hin zum Bigger Picture zu bewegen, relativieren sich viele Dinge und der größere Zusammenhang wird sichtbar.

 

Es gibt hervorragende digitale Tools. Es kommt stets darauf an, wie bewusst und mit welcher Absicht wir sie benutzen … 😉

 

© Solandra (10. Mai 2023)

 

Foto von Rodion Kutsaiev auf Unsplash